Zeitzeugenbericht: Währungsreform 1948

01.09.2021 Historisches

Ein Angestellter der Stadtsparkasse Hameln erinnert sich

Nach dem verlorenen Krieg herrschten miserable wirtschaftliche Verhältnisse. Es wurden kaum Güter produziert, und somit gab es auch keine zu kaufen. Das umlaufende Geld wurde immer wertloser. 

Ein Zeitzeugenbericht von Theo Wehrbein*

Reichsbanknote, Zehn Milliarden Mark. - Quelle: SVN

Der gesamte Geschäftsverkehr der Stadtsparkasse Hameln beschränkte sich zu fast 80 % auf den Sparverkehr. Hier hielten sich die größeren Auszahlungen für Schwarzmarktkäufe und ebensolche Einzahlungen aus allen nur möglichen Verkäufen die Waage.

Das Kreditgeschäft war so gut wie tot, da Kreditgewährungen kaum vorkamen. Die Kunden langfristiger Kredite versuchten, ihre Belastungen mit dem immer wertloser werdenden Geld schnell und billig abzudecken. Selbst viele der früheren Kollegen verloren das Vertrauen in die Reichsmark (RM).

Nicht selten kam es daher vor, dass ich als Lehrling jeweils nach der Gehaltszahlung bei einer geheimen Verkaufsstelle für 10.000 bis 12.000 Mark amerikanische Zigaretten (Stück 5,- RM) kaufen musste. Zigaretten waren damals die härteste Währung, für die man alles kaufen konnte. Es lag auf der Hand, dass ein empfindlicher Währungsschnitt notwendig war.

Warten auf Tag „X“

Experten berieten an einem unbekannten Ort über das „Wie“ und „Wann“. Man sprach damals vom Tag „X“ als dem Tag, an dem die Währungsumstellung erfolgen sollte. Dieser Tag unterlag größter Geheimhaltung.

Eine allgemeine Spannung war seinerzeit in der Bevölkerung festzustellen, auch in der Stadtsparkasse Hameln, da ihr von der Reichsbank (der heutigen Landeszentralbank) die Verteilung des neuen Geldes (DM) an 34 Lebensmittelkarten-Ausgabestellen des Ernährungsamtes Hameln übertragen wurde.

Als der Stadtsparkasse am 17. Juni 1948 2.250.000,- DM ohne vorherige Ankündigung unter starkem polizeilichem Schutz von der Reichsbank übergeben wurde, ahnten wir die Nähe des Tages „X“. Im Text der Empfangsbescheinigung wurden die damals verantwortlichen Kollegen namentlich aufgeführt.

Das Zählen und Aufteilen des Geldes auf die Kartenstellen erfolgte im Tresor der Stadtsparkasse in den Nachtstunden zum 18. Juni 1948 und wurde ebenfalls geheim gehalten.

Endlich: Der Wechsel

Der 20. Juni 1948, ein Sonntag, war dann schließlich der Tag „X“. Schon in den frühen Morgenstunden wurden die Geldsäcke an die 34 Lebensmittelkarten-Ausgabestellen des Ernährungsamtes, dessen Personal durch Bedienstete aller Hamelner Geldinstitute verstärkt worden war, ausgegeben.

Pro Kopf der Bevölkerung war ein so genannter Kopfbetrag in Höhe von 60,- DM vorgesehen, aber nur 40,- DM wurden davon ausgezahlt, während der Restbetrag von 20,- DM zunächst einem Konto bei dem einen oder anderen Geldinstitut gutgeschrieben wurde. Die Bevölkerung musste aber für das neue Geld pro Kopf 60,- RM (altes Geld) abliefern.

Als am Abend des 20. Juni 1948 die Ausgabestellen in der Stadtsparkasse abrechneten, ergab sich eine Summe von 1.815.957,50 DM (neues Geld), das man an die Bevölkerung von Hameln ausgegeben hatte, während dafür 2.723.855,50 RM (altes Geld) von ihr abgeliefert worden war. Damit war der Geldumtausch abgeschlossen.

Lange Schlangen vor den Geldinstituten

Nun begann für alle Geldinstitute eine sehr arbeitsreiche Woche. Vom 21. bis 26. Juni 1948 musste die Bevölkerung das übrige Altgeld an die Geldinstitute abliefern und gleichzeitig auf besonderen Formularen ihre Altgeldguthaben anmelden. Dieser Vorgang löste einen sehr starken Ansturm auf die Geldinstitute, besonders auf die Stadtsparkasse, aus. Hier standen mitunter Menschschlangen aus der Eingangstür heraus bis auf die Osterstraße.

Dies veranlasste die Stadtsparkasse Hameln, zusätzliche Gruppen mit jeweils zwei Bediensteten längs an den Schaltern zu postieren, die ebenfalls Altgeld sowohl wie Altgeldguthaben-Anmeldungen entgegennahmen. 

Am Schluss der Woche war altes Geld in Höhe von 3.390.153,91 RM abgeliefert und Altgeldguthaben in Höhe von 47.540.509,70 RM angemeldet worden. Für 24.746 Personen wurden die restlichen Kopfbeträge von 20,- DM auf Sparkonten gutgeschrieben, übrigens fast das gleiche Ergebnis, das alle anderen Geldinstitute in Hameln zusammen aufweisen konnten.

In Wäschekörben stapelte sich das ausgediente Geld in der Kassenhalle. Es musste gezählt, gebündelt und später bei der LZB abgerechnet werden. Ehefrauen bzw. Ehemänner der Mitarbeiter halfen bei dieser Arbeit.

 

*Über den Autor

Theo Wehrbein ist ehemaliger Mitarbeiter der Stadtsparkasse Hameln (heute Sparkasse Hameln-Weserbergland), dazu ein waschechter Hamelenser: am 05.12.1929 in Hameln geboren lebt er bis heute in der Stadt. Sein gesamtes Berufsleben hat Theo Wehrbein bei der Stadtsparkasse verbracht: von der Ausbildung bis zur Pension, davon 40 Jahre als Werbeleiter. Die letzen Kriegstage hat er als jüngster Lehrling der Stadtsparkasse erlebt.