Warum steigen meine Zinsen nicht?

Was es mit Leitzins und Marktzins auf sich hat

10.02.2023 Wirtschaft

Nach einer langen Durststrecke hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen wieder angehoben. Na endlich! – denken sich da viele Sparerinnen und Sparer, die ihr Erspartes wieder für sich arbeiten lassen wollen. Denn, die Annahme ist: Wenn die EZB die Leitzinsen anhebt, steigen die Guthabenzinsen für Tagesgeld- und Sparkonten automatisch in gleichem Maße auch wieder an. Doch diese Annahme hinkt.  

Leitzinsen und Marktzinsen

Geldscheine hängen an einer Wäscheleine. - Quelle: Pixabay
Geldscheine hängen an einer Wäscheleine. - Quelle: Pixabay

Der Leitzins steuert, wieviel Geld sich in einem Wirtschaftsraum im Umlauf befindet. Dies trägt dazu bei, das Preisniveau stabil zu halten und damit den Wirtschaftsverlauf positiv zu beeinflussen. Die Höhe des Leitzinses hat aber auch Einfluss auf das Zinsniveau am Finanzmarkt, denn Sparkassen und Banken orientieren sich bei der Festlegung des Zinssatzes für Kunden (Marktzins) am Leitzins. Er ist aber keine Vorgabe für Kreditinstitute, wie sie ihre kreditwirtschaftlichen Leistungen zu bepreisen haben (also welche Zinssätze sie ihren Kunden und Kundinnen anzubieten haben). Die Marktzinsen bilden sich im Wettbewerb und auch dann gibt es nicht „den einen Zins“. Unterschieden werden kann zwischen Sparzinsen, Kreditzinsen, langen und kurzen Laufzeiten und auch Angeboten für unterschiedliche Bonitäten. Darüber hinaus berücksichtigt ein Marktzins auch Risikofaktoren, Kosten der Kreditinstitute und die notwendige betriebswirtschaftliche Kalkulation eines Kreditinstituts. All das spielt für die Bildung des Leitzinses keine Rolle. 

Wichtige Funktion der Kreditinstitute

Das Zinsniveau auf der Guthabenseite liegt bei Sparkassen und Banken momentan generell noch in einem sehr niedrigen Bereich. Der Grund hierfür ist einfach erklärt: Alle Kreditinstitute haben viele Jahre lang Kredite für Wohnimmobilien und gewerbliche Investitionen zu sehr günstigen Konditionen vergeben. Da diese Zinssätze meist über viele Jahre festgeschrieben werden, um dem Kunden wie auch dem Kreditinstitut eine langfristige und verlässliche Planung ermöglichen zu können, sind damit die Zinseinnahmen noch über viele Jahre niedrig. Bei solide kalkulierenden Instituten können daher die Zinsausgaben – und damit die Zinsen auf Einlagen – auch nur langsam steigen. Die Kreditwirtschaft hat hier eine ganz wichtige Funktion, denn sie puffert die Belastungen schneller Zinswenden für die Märkte ab.

Wie fällt der Wettbewerbsvergleich aus?

Natürlich gibt es auch Lockangebote, die mit ihren Konditionen aus dem Markt herausstechen und im ersten Moment mag das manchmal nach einem attraktiven Angebot klingen. Aber: Diese Angebote gelten oft nur unter bestimmten Bedingungen – nur für Neukunden, oder nur für kurze Zeit und nach wenigen Monaten fallen auch diese Angebote auf ein niedriges Niveau und setzen darauf, dass einmal angelockte Kundinnen und Kunden bleiben und nicht weiterziehen. 

Was bleibt am Ende übrig?

Schnell kann man bei solchen Angeboten etwas Entscheidendes übersehen: Maßgeblich sind nicht in erster Linie die Tagesgeldzinsen im Markt. Noch wichtiger ist es, die „Realzinsen“ zu betrachten, also den tatsächlichen Wertzuwachs nach Abzug der Inflationsrate. Das heißt: Wenn aus zehn Euro nach einem Jahr elf Euro geworden sind, ist die Freude darüber genau so lange groß, bis man merkt, dass man sich trotzdem weniger davon kaufen kann, weil die Preise schneller waren. Von dem Hintergrund der aktuell noch hohen Inflationsrate ist der Realzins deutlich negativ, selbst bei Angeboten, die im ersten Moment attraktiv erscheinen. Für den Vermögensaufbau kann es daher deutlich lohnender sein, sich verstärkt auf langfristig angelegtes Wertpapiersparen zu fokussieren. 

 

LK